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Tausi Taarab Orchester (Sansibar - Tansania)
Das Tausi Taarab Orchester ist das einzige reine Frauen-Ensemble auf Sansibar. Das Außergewöhnliche an ihm ist, dass die Frauen darin nicht nur singen, sondern auch alle Instrumente spielen. Noch bis vor gut einem Jahrzehnt war es für Frauen in der muslimisch geprägten Kultur Sansibars ein absolutes Tabu öffentlich Instrumente zu spielen. Frauen traten höchstens als Sängerinnen in Männerorchestern auf. Das änderte Mariam Hamdani, die auf Sansibar schon die erste Frau war, die journalistisch zu arbeiten begann, als Nachrichtenreporterin für die russische Nachrichtenagentur TASS. Mit all ihrem Durchsetzungsvermögen, mit dem sie bereits in ihren Anfangszeiten als Journalistin auffiel, gründete sie 2009 das Tausi Taarab Orchestra. In einer Besetzung mit bis zu 15 Frauen im Alter zwischen Anfang 20 und Mitte 60 Jahren präsentiert das Tausi Taarab Orchester seitdem Musik, die in der Tradition des klassischen Taarab-Stils steht und hat damit eine regelrechte Revolution in diesem sehr traditionellen Genre bewirkt. Taarab ist ein Stilmix, der die verschiedenen Kulturen Sansibars widerspiegelt, die in der Swaheli-Gesellschaft zusammenkommen. Als halbautonomes Territorium im Staatenverbund von Tansania am Indischen Ozean, vereint Sansibar in seiner Musik stilistische Elemente und Instrumente der afrikanischen, arabischen, indischen und europäischen Kultur von Urbevölkerung, ehemaligen Herrschern, Einwanderern, Handelsreisenden und Kolonialherren. Ursprünglich galt Taarab als Musik, über die der Zustand der Ekstase erreicht werden wurde. Es war eine von Männern dominierte elitäre Kunstform, die erstmals im späten 19. Jahrhundert in Sansibar eingeführt wurde, als Sultan Seyyid Barghash bin Said aus Ägypten ein Taarab-Ensemble mitbrachte. Während sich Taarab im Land ausbreitete, bekam die Musik über die Zeit den für die Region typischen Swaheli-Charakter. Instrumente wie die arabische Kastenzither Qanun und die arabische Laute Oud, Geige, Cello und das Akkordeon wurden mit in diese musikalische Form aufgenommen. Ab den 1920er Jahren begannen die ersten Frauen den Taarab in Sansibars Musikgeschichte zu prägen, angefangen mit der legendären Sängerin und Komponistin Siti Bint Saad, die als „Mutter des Taarab“ gilt. Pionierin war sie gleich in zweifacher Hinsicht, denn sie war nicht nur die erste Frau, die Taarab sang, sondern sie führte auch ein, Taarab nicht auf Arabisch, sondern auf Swahili zu singen. Danach trugen viele weitere talentierte Komponistinnen und Sängerinnen zur wesentlichen Entwicklung von Sansibars berühmtestem Musikstil bei. Insbesondere während der 1960er Jahre gab es einige „Frauengruppen“, die instrumental jedoch immer von Männern begleitet wurden. Eine der eindrucksvollsten Sängerinnen des letzten Jahrhunderts von Sansibars großem Repertoire an Swaheli-Liedern, das über die Jahre entstand, ist die ehrwürdige „Königin des Taarab“ Bi Kidude. Ihre markante Stimme wurde weit über die Landesgrenzen hinaus berühmt, bis sie 2013 im Alter von 103 Jahren starb. Diese Sängerinnen und Komponistinnen sind für die heutigen Musikerinnen vom „Tausi Taarab Orchester“ Vorbild und Inspiration. Ähnlich wie die ersten Frauen-Generationen die Emanzipation im Taarab vorangetrieben haben und darüber hinaus auch im Allgemeinen (so setzte sich Bi Kidude unter anderem in sozialen Vereinen für Frauenrechte und die sexuelle Aufklärung von jungen Frauen ein), engagieren sich auch in der Gegenwart die starken Frauen um Mariam Hamdani für die Gleichberechtigung von Frauen. Mit Erfolg: Einige der Musikerinnen des Orchesters studieren inzwischen an Sansibars international bekannter Musikakademie Dhow Countries Music Academy (DCMA) oder konnten sich als Kleinunternehmerinnen auf der Insel selbständig machen. Bei Männern - Imanen, Vätern oder Ehemännern - stoßen die Musikerinnen mitunter immer noch auf Widerstand. Für ihre Musik müssen sie kämpfen: eine der Musikerinnen hat sich sogar von ihrem Ehemann getrennt, weil er das Musizieren nicht tolerierte. Frauen, die öffentlich Musik machen, verstoßen nach wie vor offiziell gegen die Gesetze des Korans und da der Islam in den letzten Jahrzehnten zunehmend Einfluss auf das multikulturelle Leben Sansibars gewonnen hat, ist der Fortbestand vom Tausi Taarab Orchestrer keine Selbstverständlichkeit – so sehr wie die Musikerinnen auh immer wieder für ihre inspirierende Innovation gefeiert werden. Seit seiner Gründung ist das Tausi Taarab Orchester zu zahlreichen Anlässen in Tansania aufgetreten und auch international, z.B. bei etlichen offiziellen Veranstaltungen der Europäischen Union in Ostafrika, für die UN, zur Eröffnung der “Women’s Decade 2010-2020”, für die Afrikanische Union, das Ministry of Education in Zanzibar, das Zanzibar International Film Festival, das Bagamoyo Cultural Festival, das Beirut Festival u.v.a. Während das Tausi Taarab Orchester traditionelle Lieder oder alte Kompositionen von Siti Bint Saad anstimmt, in denen Kritik an gesellschaftlichem Verhalten anklingt, vermitteln die Musikerinnen immer eine soziale Botschaft und fordern traditionelle Normen heraus. Ein Schlüsselelement ihrer Arbeit ist, die Musik wie ein Werkzeug zu benutzen, um die Aufmerksamkeit auf Themen zu richten wie Jugendschwangerschaften, Drogenmissbrauch oder Gewalt gegen Frauen und Kinder. Dabei tragen die Frauen in farbig leuchtenden Gewändern ihre Musik mit Stolz vor, dem ersten Teil ihres Namens Tausi entsprechend, der „Pfau“ bedeutet und einen stolzen Vogel mit eindrucksvollen Federn bezeichnet, der ursprünglich aus Indien kommt. Wenn man erlebt, wie leicht und selbstbewusst das Tausi Taarab Orchester spielt, ist kaum zu glauben, dass dies in dieser Form vor gut zehn Jahren nicht möglich gewesen wäre. Mariam Hamdani hat oft ein breites Lachen auf den Lippen, ihr Auftreten gebietet dabei gleichzeitig Respekt und Ehrfurcht.
Im Klangkosmos NRW tritt das Tausi Taarab Orchester in kleiner Besetzung auf. Maryam Mohammed Hamdani - Qanun, Orchesterleitung Muharram Mohammed Omar - Arabischer Gesang Rahma Hassan Ameir - Violine Sayrat Ame Makame - Akkordeon Sheria Issa Khamis Shifta - Bongos, Chorgesang Nawal Mlanao - Solo Gesang, Gambusi, Daf, Darbuka
Wir danken dem Goethe Institut in Verbindung mit dem Auswärtigen Amt der Bundesrepublik, der Deutschen Botschaft in Daressalaam, dem Ministerium für Kultur und Wissenschaft NRW und dem Kultursekretariat NRW Gütersloh sowie vielen weiteren Organisationen in Sansibar und Deutschland für ihre sehr engagierte Unterstützung und grosszügige Förderung, ohne die dieses Projekt nicht möglich wäre. Mehr zu Förderern www.facebook.com/tausiwomenstaarab www.youtube.com/watch?v=Wcr7BW76xtY
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